Die Startnummer, der Transponder und ihre Auswirkungen auf die ökologische Bilanz

03. Jul 2023

Dieser Artikel wurde im Original bei laufen.de veröffentlicht.

Bei vielen Laufveranstaltungen werden Startnummern gedruckt und mit Zeitmesstranspondern beklebt, die anschließend ungenutzt in den Müll wandern, weil sie niemand abholt. Doch es gibt eine Lösung.

 

Die Startnummer. Sie wird getragen, seit es moderne Laufwettbewerbe gibt. Schon auf den Aufnahmen von den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit 1896 in Athen ist zu erkennen, dass die Athleten Nummern auf der Brust trugen, anhand derer die Kampfrichter notieren konnten, in welcher Reihenfolge ins Ziel gelaufen wurde. Auch die Zuordnung der gestoppten Zeiten erfolgte schon damals über die Nummer.
Noch heute heften sich bei fast allen Laufveranstaltungen die Teilnehmenden eine Startnummer an die Brust. Auch wenn mittlerweile der Name oft größer draufsteht als die Nummer. So wird es möglich, vom Streckenrand aus jeden und jede persönlich anzufeuern. Die Startnummer ist das Symbol, hinter dem sich alle versammeln, wenn es darum geht, auf Zeit eine definierte Strecke zurückzulegen.
Und das, obwohl man sie aus technischer Sicht schon lange gar nicht mehr unbedingt braucht. Entscheidend für die offizielle Zeitmessung sind schon lange nicht mehr die Nummern, sondern die Transponder, die mit den persönlichen Daten der Teilnehmenden gekoppelt sind und in Sachen Genauigkeit auch modernste GPS-Uhren deutlich übertreffen. Die Zeitmessung bei Laufveranstaltungen ermittelt, wann dieser Transponder (und mit ihm hoffentlich der richtige Läufer oder die richtige Läuferin) die Start- und Ziellinie überquert, und stellt so die Ergebnisse der Teilnehmenden fest. Die Startnummern dienen meist nur noch der Kontrolle.


Der nachhaltige ChampionChip als Auslaufmodell
Viele Jahre lang war ein kleines, oft gelbes Plastikteil der am häufigsten verwendete Transponder bei Laufveranstaltungen – der ChampionChip. Er wurde in die Schnürung des Schuhs eingebunden und konnte immer wieder eingesetzt werden, sodass ihn viele Läuferinnen und Läufer kauften oder bei Veranstaltungen ausgeliehen haben. Wer ihn nach dem Zieleinlauf zurückgab, bekam auch sein Pfandgeld zurück. Er hatte eine so große Lebensdauer, dass kaum ChampionChips in den Müll wanderten.
In den vergangenen Jahren haben sich allerdings immer stärker Transponder durchgesetzt, die auf der Rückseite der Startnummer angebracht sind. Ist ja auch viel bequemer für Teilnehmende und Veranstalter. Der Veranstalter kauft Startnummern mit Transponder ein und verteilt sie an seine Läuferinnen und Läufer, die sie sich an die Brust heften, damit laufen und sie im Ziel meist entsorgen.
Bequem? Ja. Nachhaltig? Eher nicht. „Ich persönlich finde es schon schade, dass die Weiterentwicklung der ChampionChip-Technologie vom Hersteller eingestellt wurde“, sagt Harald Mika, der mit seinem Unternehmen Mika-Timing jahrzehntelang die Zeitmessung bei Events wie dem BMW Berlin-Marathon, aber auch den World Marathon Majors in Boston und London und zahlreichen weiteren Laufveranstaltungen mit der ChampionChip-Technologie realisiert hat. Ab 2024 wird Mika-Timing den ChampionChip nicht mehr einsetzen, sondern mit an der Startnummer angebrachten Transpondern arbeiten.


Das Problem mit den No-Shows
Das Problem dabei: Die Veranstalter müssen immer deutlich mehr Startnummern und Transponder bereithalten, als tatsächlich gebraucht werden. Denn es treten ja nie alle zu einem Rennen an, die sich dafür angemeldet haben. Bei den meisten Veranstaltungen ist es so, dass mit dem Anmeldeschluss alle Startnummern für die vorangemeldeten Läuferinnen und Läufer gedruckt werden, um dann von der Druckerei zur Startnummernausgabe geliefert zu werden. Plus eine Anzahl von Nummern, die für Nachmeldungen bereitgehalten werden.
„Beim BMW Berlin-Marathon verzeichnen wir Jahr für Jahr etwa 10 Prozent so genannter ,No-Shows‘. Damit sind angemeldete Läuferinnen und Läufer gemeint, die ihre Startunterlagen nicht abholen“, erklärt Christian Jost, Geschäftsführer von SCC Events, dessen Unternehmen mit dem BMW Berlin-Marathon und dem Generali Berliner Halbmarathon zwei der größten Laufevents in Deutschland organisiert. Bei über 40.000 Anmeldungen wären das immerhin circa 4000 Startnummern und Transponder, die für die Mülltonne produziert würden.


Beim Berlin-Marathon werden die Startnummern live vor Ort gedruckt
In Berlin passiert das allerdings schon lange nicht mehr. Schon vor mehr als zehn Jahren ist man dort dazu übergegangen, die Startnummern erst dann auszudrucken, wenn der Teilnehmende sie abholt. Mit kleinen dezentralen Druckern bei der Startnummernausgabe. „Die Idee ist bei einem Bier in einer Berliner Kneipe entstanden“, erinnert sich Christian Jost an das Gespräch mit Harald Mika, dessen Erfolgsgeschichte als Zeitmesser eng mit dem Berlin-Marathon verbunden ist, „irgendwie fanden wir es cool, die Startnummernausgabe so ähnlich zu gestalten wie den Check-in am Flughafen, wo man damals ja auch die Bordkarte meisten noch als Ausdruck erhielt.“
Anfangs war man bei SCC Events und Mika-Timing skeptisch – unter anderem wegen des vermeintlich größeren zeitlichen Aufwandes, den der Ausdruck vor Ort bei der Startnummernausgabe verursachen würde. Man befürchtete lange Warteschlangen. Doch die Bedenken wurden schnell ausgeräumt. „Mit der immer weiteren Verbreitung von Smartphones hat sich der Startnummerndruck vor Ort immer mehr etabliert. Die Teilnehmenden zeigen den QR-Code, den sie mit ihrer Meldebestätigung erhalten. Der Code wird gescannt, die Startnummer gedruckt und der mit der Nummer gekoppelte Transponder aufgeklebt. Das Ganze dauert nur 15 Sekunden“, sagt Harald Mika. Mittlerweile findet das Verfahren bei sehr vielen großen Events Anwendung: Bei den großen deutschen Marathons in Hannover, Hamburg und Frankfurt. Beim World Marathon Majors-Rennen in London, aber auch in Wien, Stockholm und Göteborg und sogar bei der schwedischen Skilanglauf-Legende, dem Vasaloppet.


Startnummerndruck nach dem Check-in ist nachhaltigste Lösung
Eine Untersuchung hat außerdem ergeben, dass der komplette Prozess des Startnummerndrucks vor Ort in Sachen Nachhaltigkeit, Energieverbrauch und CO2-Fußabdruck dem Druck mit großen Maschinen und dem anschließenden Transport der Nummern überlegen ist. „Ausschlaggebend ist dabei, dass keine Startnummern gedruckt und mit Transpondern beklebt werden, die anschließend ungebraucht in den Müll wandern“, so Harald Mika.
Nach dem Aus für den ChampionChip bleibt allerdings noch das Problem mit den Wegwerf-Transpondern. Eine elektronische Lösung mit wiederverwertbaren Transpondern, die Bequemlichkeit und Nachhaltigkeit vereint, wäre Harald Mika deutlich lieber. Und er tüftelt mit seinem Unternehmen auch schon an Lösungen. Vielleicht sollte er noch einmal mit Christian Jost in einer Berliner Kneipe Bier trinken …

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